über Gott und Google reden

Das Gespräch wurde für Klarheit gekürzt und bearbeitet. Transkription von Georgi & Chris mit Unterstützung durch whisper.cpp.

Georgi: In deiner schriftlichen Bachelorarbeit „Bauhüttenbuch – Tradition and the Individual Talent“ hast du die Symbolik Googles anhand christlicher Motive untersucht und deren Parallelen beschrieben. Warum hast du dich für diesen Titel entschieden und was ist denn ein Bauhüttenbuch?

Nico: Der Titel "Bauhüttenbuch" kommt von den Bahüttenbüchern, die im Mittelalter von den Bauhütten geschrieben wurden. Bauhütten waren damals Zusammenschlüsse von Architekten, und weil man damals einfach noch nicht die Möglichkeit hatte gewisse Dinge auszurechnen, gab es den Bauhüttenmeister. Der ist durch das Land gereist und hat sich verschiedene Bauwerke angeschaut und geguckt, wie die anderen Sachen gebaut wurden.
Dieses Bauhüttenbuch wurde dann von Bauhüttenmeister zu Bauhüttenmeister weitergereicht und von verschiedenen Leuten nach und nach ergänzt und zusammengetragen.

"Tradition and the Individual Talent" bezieht sich auf einen Essay von T.S. Eliot, in dem er darüber schreibt, wie man als kunstschaffende Person immer in der Tradition arbeitet und immer in der Tradition von den Künstler:innen, die vor einem gearbeitet haben.
Wir kriegen Einflüsse von anderen Kunstwerken, von der Kultur, die uns umgibt. Je besser wir diese Kultur kennen, desto besser verstehen wir die Tradition, in der wir arbeiten. Wir können uns dem nicht entziehen.
Aber das reicht nicht, um etwas wirklich Neues zu erschaffen.Das erschafft man dann nur, wenn man sein individuelles Talent mit einbringt. Wenn sich jemand zum Beispiel auf ein älteres Kunstwerk bezieht und da noch seinen eigenen Input reinbringt. Der Betrachter, die Betrachterin schaut sich das Kunstwerk an und wird dann an das Bild denken, auf das sich der Künstler oder die Künstlerin bezogen hat. Gleichzeitig werden die Leute das Bild, auf das sich der Künstler die Künstlerin bezogen hat, nie wieder mit den gleichen Augen sehen, sondern auch gleichzeitig an das neue Kunstwerk denken. Nur so kann man sich in diesen Kanon einreihen. Der Kanon, der einen selber beeinflusst, den beeinflussen wir dann in gleichem Maße wieder zurück.

Deswegen habe ich mir so ein traditionelles Buch rausgesucht, auf das ich Bezug nehme, aber das ich natürlich auch ein bisschen zeitgemäßer und mit meinen individuellen Ansichten und Einblicken verändern will. Mich hat am Bauhüttenbuch gereizt, dass es eine lose Ansammlung von verschiedenen Ideen und Eindrücken war und, dass man immer wieder die Dinge verändert hat. Deswegen habe ich dann ein Google-Doc erstellt, auf das mehrere Leute Zugriff haben. Das heißt, dass ist jetzt meine erste Ansammlung zu dem Thema und andere Leute können dann theoretisch auf dieses Dokument zugreifen, verändern und dran weiterarbeiten.

Georgi: Zurück zum Hauptpunkt deiner Arbeit: Wie ähnelt eine Firma wie Google Gott?

Bei der institutionellen Religion haben wir einen Gott und der ist allmächtig und allwissend. Wenn die Anhängerschaft zu diesem Gott betet und glaubt, verspricht sie sich davon gewisse Vorzüge.
Bei Firmen wie Google ist der Unterschied, dass sich die Menschen selbst einen Gott erschaffen und dass diese Ziele, die man einer externen Instanz wie Gott eigentlich gibt, diese Allwissenheit, diese Macht, sich selber aneignen kann. Statt zu beten und eine Anhängerschaft zu leisten, den Glauben an diesen Gott zu haben, wollen die Menschen Wissen bekommen von dieser Institution, vom Internet, von der Firma Google und dafür geben sie ihm aber auch Daten. Je mehr Leute Google nutzen, desto besser kann Google analysieren, welche Antworten besser sind, welche Antworten gesucht werden und dadurch können sie bessere Leistungen erbringen.

Aufgrund deiner Suchhistorie, der Standpunkte, wo du dich befindest und der Informationen, die du Google gibst, desto besser kennt und analysiert er dich. Google ist dadurch eine allwissende Instanz auf die wir Zugriff haben, aber die seine Allwissenheit von dem Benutzer bekommt. Bei der institutionellen Religion ist es vielleicht ähnlich, dass je mehr Leute in der Kirche sind, desto mächtiger wird sie auch und desto mehr Macht bekommt Gott. Dafür bekommen die Menschen die Hoffnung darauf, erlöst zu werden, dass Gott ihnen hilft mit Problemen in ihrem Leben, so wie Google vielleicht auch den Leuten hilft, Probleme zu lösen.

Wenn ich jetzt eine Hausarbeit habe, dann kann ich das googeln und dadurch eine bessere Hausarbeit schreiben aber dadurch liefere ich Google natürlich auch immer mehr Daten. Zum Beispiel bei dem Bauhüttenbuch - diese ganzen Infos habe ich aus dem Internet durch Internetrecherchen. Ich habe mir Bücher gekauft über Websites und Google konnte mir dann andere Bücher vorschlagen, die mich vielleicht auch weiterbringen, und im Gegenzug hat Google mich dann analysiert und hat immer mehr Daten über mich herausgefunden. Am Ende habe ich dann mein Bauhüttenbuch auf Google Docs hochgeladen. Das ist es jetzt auch wieder Wissen, das zugänglich ist für andere Leute.

Es gibt das Versprechen in der institutionellen Religion oder im Christentum, dass wenn man an Gott glaubt, dass man dann irgendwann das ewige Leben erreicht. Sehr viele Forschungsgelder von Google, habe ich über meine Recherche herausgefunden, fließen in Tochterfirmen, die wirklich aktiv daran forschen, Lösungen zu finden, Menschen unsterblich zu machen.

Da sind die Sachen, dass man diese Hoffnung auf Erlösung, auf das ewige Leben, so einer externen Instanz gegeben hat, wo man diese Hoffnung hat, dass sie existiert und den Glauben daran hat, dass es sie gibt, einfach weggerückt ist von einer externen Instanz, die ungreifbar ist, zu was, was die Menschen selber in die Hand nehmen und versuchen, selber Lösungen dazu zu finden. Und das ist so ein kollektives Arbeiten daran ist, einen Pool zu generieren, der unglaublich viel Wissen bereitstellt, kostenlos, also das wir es nicht mit Geld zahlen, aber halt mit unseren Daten, also nicht ganz kostenlos. Und dass sie dann halt auch nicht mehr hoffen, dass ein Gott sie erlöst und ihnen das ewige Leben schenkt, sondern dass die Menschen jetzt selber daran arbeiten.

Georgi: Welche vergleichbaren Effekte haben die beiden Institutionen auf deren Anhänger und Enduserinnen?

Die Sache ist ja, dass Gott eine unergründliche Instanz ist. Man kann Gott nicht begreifen. Man soll sich ja auch in der christlichen Religion kein Bild von Gott machen. Man legt seine Hoffnung in eine Instanz, die einfach gar nicht mehr verstanden werden kann, weil sie einfach zu mächtig und zu groß ist. Bei Google oder bei allgemeinen Technikunternehmen haben wir das Ähnliche, dass eine große Anzahl an Menschen Algorithmen schreibt. Am Ende wird ein Algorithmus geschrieben, der von einer einzigen Person gar nicht mehr verstanden werden kann.

Georgi: Für deine Bachelorarbeit musstest du nicht nur eine schriftliche Arbeit schreiben, sondern auch eine praktische umsetzen. Du hast dich dafür von der Glasmalerei inspirieren lassen. Warum transportiert das Medium der Glasmalerei besonders gut diese Aspekte die du erwähnt hast?

Ich habe mich für die Glasmalerei entschieden, weil sie früher als die erste virtuelle Realität bezeichnet wurde. Und zwar gab es einen Mönch im 13. Jahrhundert, einen Franziskanermönch, Roger Bacon, der einen Brief an den Papst geschrieben hat und darüber geschrieben hat, wie wichtig es ist, möglichst realistische Malereien und Ausgestaltungen der Kirchen für die Anhänger der Religion zu gestalten. Damals gab es eine hohe illiterate Bevölkerung. Seiner Meinung nach stärkt das den Glauben, wenn diese Dinge, über die erzählt wird - diese paradiesischen Zustände, diese Hoffnungsträger, die Geschichten von den Heiligen - nicht nur erzählt werden, sondern auch möglichst realistisch, bildlich dargestellt werden. Und je realer sich die Leute das vorstellen können, desto stärker soll dann auch der Glauben werden.
Da gibt es Parallelen zur virtuellen Realtität wie wir sie heute kennen.
Eine VR-Brille gauckelt einem eine Realität vor. Durch verschiedene Lichter, die aktiviert werden, wird dem User vorgegauckelt, dass, was um ihm herum existiert, was eigentlich nicht da ist. Bei den Glasfenster
Man muss sich vorstellen, wenn man früher in eine Kirche in einen lichtdurchfluteten Raum kommt und diese Bilder von den Heiligen und von diesen Erzählungen aus der Bibel sieht und die nicht nur sieht, sondern sich dadurch bewegen kann, weil dieses Licht einfach in diese Kirchen fällt was das für einen Effekt auf die Menschen in der Kirche gehabt haben muss. Das war eine Möglichkeit diese imaginierte Welt, dieses himmlische Reich auf Erden den Leute vorzuspielen oder zu realisieren. Heute machen wir das mit einer VR-Brille, früher hat man das mit der Glasmalerei versucht.
Persönlich, obwohl ich mich jetzt mit digitalen Medien auseinandersetze und einem digitalen Thema, habe ich einfach als Individuum schon eine Affinität für eine handwerkliche Realisation.

Das ist mein Zugang zu solchen Themen, dass ich da auch noch ganz persönlich einfach eine Freude am Arbeiten habe. Und das habe ich dann vor allem an den traditionellen Medien.

Georgi: Trotzdem hast du nicht ausschließlich analog gearbeitet, wir sitzen gerade vor einer Arbeit, die du digital umgesetzt hast.

Ah ja, genau. Dazu habe ich dann auch noch mal gemerkt, dass wenn ich das jetzt nur in Glasmalerei umsetze, also ganz klassisch mit einer Bleiverglasung, dass das schon funktioniert, aber dass ich diese Vorskizzen für diese Bleiverglasung eigentlich auch mit einem digitalen Medium, mit PowerPoint gearbeitet habe, und dass ich diese Grafiken erstellt hatte, die an sich noch Mal eine andere, viel cleanere und auch digitalere Qualität hatten. Deswegen habe ich dann Grafiken einfach auf Fensterfolie gedruckt und dann auf Floatglas aufgezogen und diese Glasplatten dann installiert. Dadurch hat man immer noch dieses Lichtspiel, immer noch diese Assoziation zu Kirchenfenstern, aber hat die ganze Sache dann vielleicht doch noch mal ein bisschen - also es war dann einfach ein Versuch das nochmal ein bisschen zeitgemäßer umzusetzen. Und natürlich auch um Zeit und Kosten ein bisschen zu sparen.

Georgi: Dafür hast du Symbole verwendet - um diese Arbeit umzusetzen. Und so wie sie im Christentum eine große Rolle spielen, ist der Wiedererkennungsfaktor von Icons und Logos für Online-Dienste relevant. Welchen Parallelen hast du entdeckt?

Ich habe mir die Kirchenfenster angeschaut, von Früher die Ikonographie entschlüsselt, geschaut, welche Symboliken und welche Ikonographien damals benutzt wurden. Dann habe ich mir angeschaut, was Google für Icons, die ja auch linguistisch sehr nah an Ikonographischen dran sind, was die so benutzt haben.

Zum Beispiel bei den Sprach-Apps, da habe ich geschaut, wie das früher mit dem Turmbau zu Babel war. Ich habe dann diese verschiedenen Icons so zusammengebaut, dass sie auch wieder einen Turm ergeben. Was mir da aufgefallen ist, ist auch nochmal diese Parallele, damals wurde ja versucht ins himmlische Reich zu gelangen. Als Strafe dafür hat Gott das dann so eingerichtet, dass sich die Leute nicht mehr untereinander verständigen konnten, weil sie alle dann andere Sprachen gesprochen haben. Und dass Google genau die Sache jetzt rückgängig machen will, dass sie jetzt diese Programme schreibt, dass wir uns besser verständigen können, dass wir uns austauschen können und dass man heutzutage in ein anderes Land reisen kann und dann einfach sich mit Leuten unterhalten kann.

Google hat auch Symbole für ihre eigenen Forschungsfelder auf ihrer Webseite. Das Symbol für das Datenmanagement, das Symbol für den elektronischen Handel und für die allgemeine Wissenschaft haben mir dann doch wieder dran erinnert, dass Kloster genau diese Funktionen erfüllt haben im Mittelalter. Das waren die ersten Orte, an denen Informationen oder Wissen gesammelt und katalogisiert wurde und dann auch zugänglich gemacht wurde. Klöster waren Standpunkte des Handels wo Leute aus der ganzen Welt hingekommen sind und auch Orte für wissenschaftliche Innovation und für Forschung. Das sind Parallelen, die symbolisch immer wieder vorkommen.

Georgi: Welche Signifikanz haben die ausgewählten Farben?

Ich habe recherchiert, welche Farben Google genommen hat und das ist durch den Hexadezimalcode sehr leicht zu reproduzieren. Dann konnte ich genau die gleichen Farbwerte für meine Glasfenster benutzen, die Google benutzt. Blau, rot, grün, sind die Primärfarben und gelb wird noch benutzt, um diese aufzubrechen. Da habe ich mich damit beschäftigt, wie diese Farben von Google eingesetzt wurden für diesen Wiedererkennungswert, also dass man diese Fenster und diese Ikonographie auch wieder mit Google assoziiert, habe ich mich genau an diesen Farben orientiert.

Georgi: Diese Farben haben auch im Christentum unterschiedliche Bedeutungen.

Im Christentum ist die Farbe blau die Farbe des Himmels, der Wahrheit, der Treue, steht für Moral und Reinheit. Die Farbe gelb ist die Farbe der Ewigkeit, die in Gold immer wieder in der christlichen Ikonographie, in Malereien, in Skulpturen vorkommt, die steht für das ewige Leben.
Die Farbe grün ist die Farbe des Paradieses und der Unsterblichkeit, da beziehe ich mich auf diese Forschung von Google, aufs ewige Leben. Und die Farbe rot auch wieder Sinnbild für Leben, für die Unsterblichkeit, für die Inkarnation oder für das Martyrium.

Die Arbeit ist von 2021, allerdings um in dein Atelier zu kommen, musst du am Googlefenster vorbeilaufen. Welche Bedeutung hat es heutzutage für dich?

Es ist eine Arbeit, die mir immer noch sehr gut gefällt und die für mich einfach noch nicht ganz abgeschlossen ist. Sie ruht gerade an diesem Fenster und ist ein Mahnmal dafür, dass ich mich damit wieder auseinandersetzen möchte. Allerdings habe ich mich jetzt gerade davon wegbewegt. Bei dem Projekt ist es so, dass es noch ganz viele Richtungen gibt, in die es gehen könnte. Da fehlt mir aber gerade noch so ein bisschen dieser Anreiz, oder ich habe die Sorge, das einfach nur durchzudeklinieren und einfach nur noch zu machen, damit es gemacht ist. Ich möchte schon auch Freude daran haben. Gerade bin ich so ein bisschen dabei, mich mit Windows mehr zu beschäftigen, also der Firma, nicht dem Fenster, wo man dann ein bisschen plakativ diese Parallele hat zwischen Glasfenstern und dem Programm. Und Apple. Das sind die Firmen, wo ich die Ikonogrpahie gerne ein bisschen entschlüsseln würde. Da warte ich entweder auf die intrinsische Motivation, das professioneller weiter dran zu arbeiten oder auf eine extrinsische Motivation, weil die Arbeiten ja dann eher ortsbezogen installiert werden, dass es ein Interesse gibt oder eine Ausstellung, für die ich dann die Arbeiten nochmal irgendwie verändern kann. Jetzt einfach so ins Leere reinzuarbeiten, hat natürlich auch wieder was Experimentelles, aber ich glaube, die Experimentierphase von dem Projekt ist zurzeit erstmal abgeschlossen.
Andererseits genieße ich auch einfach das Fenster jetzt noch hier zu haben. Und bis jetzt stört es niemanden hier von meiner Ateliergemeinschaft. Und es freut mich auch irgendwie eine Arbeit zu haben, die mich nicht nur inhaltlich beschäftigt hat, sondern die ich mir auch gerne anschaue.

Georgi: Ich freue mich auf jeden Fall auf Updates – pun intended. Aber bis dahin, an was arbeitest du gerade? Was ist zurzeit relevant für dich?

Ich bin immer noch in der Sparte Symbolik und Glauben oder Religion, allerdings Symbolik eher in der Schrift. Die linguistische Symbolik von einem Wort das einfach nur ein Symbol ist für eine reale Instanz. Jetzt arbeite ich gerade viel mit Schrift, um religiöse Themen nochmal anders darzustellen oder aufzuarbeiten und auch Themen der Okkulten, Magie und des Aberglaubens, die mich einfach weiterhin interessieren und die dann auch eher symbolisch, mit Schrift aber auch mit Bild umzusetzen.

Das Interview wurde am 06.09.2023 in Nicos Atelier durchgeführt.